Die Firma Winkelhausen
Hermann Alexander (H.A.) Winkelhausen ging nach seiner Schulzeit in Danzig nach Preußisch - Stargard, wo er zunächst 10 Jahre als Kaufmannslehrling und Handlungsgehilfe (Kommis) tätig war, bis er 1846 die Tochter des Kupferschmiedes Horstmann heiratete.
Von seinem Schwiegervater bekam er ein Grundstück in der Ritterstrasse nahe des Marktes. Dort gründete er 1846 eine Kolonialwarenhandlung mit Destillation (diese Verbindung von Lebensmittelhandel und Destillation war in der Gegend üblich). Sein Schwiegervater baute ihm die notwendigen Destillationsgeräte. Dank der guten Qualität seiner Erzeugnisse und seiner guten Kenntnisse des dortigen weiteren Marktes gelang es H.A. Winkelhausen sehr bald, den Lebensmittelladen aufzugeben und sich ganz auf die Destillation zu konzentrieren. Dabei halfen ihm die Erfahrungen seines Schwiegervaters Horstmann, aus dessen Kupferschmiede bald die Maschinenfabrik A. Horstmann entstand, die neben landwirtschaftlichen Maschinen auch Apparate für Brennereien herstellte. Durch die Lieferung dieser Apparate an die damals bestehenden Gutsbrennereien, die Hermann Alexander dank seiner guten Einnahmen den Gutsbesitzern vorfinanzieren konnte, band er diese zur Lieferung des Rohspiritus an seine eigene Brennerei, die sich fortan ganz auf die Spiritusrektifikation für Genusszwecke konzentrierte. So konnte er 1871 die 1. dampfbetriebene Spirituosenraffinerie in Westpreußen in Betrieb nehmen. Der Kundenkreis für seine Erzeugnisse weitete sich aus bis nach Westdeutschland. 1888 zog er sich aus der Geschäftsführung zurück, die er seinen Söhnen Max und Otto überließ.
Mein Großvater Rudolf Winkelhausen war nur kurze Zeit in der Firma tätig, bevor er 1872 für kurze Zeit die Leitung der Danziger Spritfabrik übernahm. Max Winkelhausen trat in den 70er Jahren in den Betrieb ein. Durch seine Reisen zu den Kunden erkannte er bald, dass ein Wandel im Geschmack der Branntweintrinker eingetreten war. Man bevorzugte Cognac. So entwickelte er aufgrund seiner Kenntnisse eine der ersten Weinbrennerein in Deutschland. Zur Deckung des stark angestiegenen Rohmaterialbedarfes erwarb er im südfranzösischen Departement Charente, ganz in der Nähe des Ortes Cognac 1908 einen Zweigbetrieb, wo bis 1918 der Brennwein hergestellt wurde.1907 wurde die Brennerei in der Ritterstrasse mit 6 Apparaten vergrößert Nach der amtlichen Statistik war H.A. Winkelhausen 1911 die größte Cognacbrennerei im Deutschen Reich. Jährlich wurden 6-8 Millionen Liter Brennwein verarbeitet. Aus gesundheitlichen Gründen zog er sich 1900 aus der Geschäftsführung zurück. Da sein jüngerer Bruder Otto schon 1921 starb, übernahm er bis 1927.wieder die Geschäftsführung
Otto Winkelhausen konzentrierte sich ab 1875 auf den Ausbau der Spiritusraffinerie und den Aufbau des Exportgeschäftes. Die steigende Nachfrage führte zum Bau einer neuen modernsten Raffinerie um 1897. In dieser Zeit wurde aus Feuersicherungsgründen ein großes Rohbranntweinlager mit Gleisanschluss am Bahnhof errichtet, wo sich heute noch die Fabrik befindet. 1919 wurde das Sägewerk Scheidler in Pr. Stargard übernommen und dort die eigene Kistenherstellung konzentriert. Fässer und Flaschen wurden in eigenen Werkstätten hergestellt. Die Firma beschäftigte etwa 4-500 Mitarbeiter. Zur Firma gehörte auch die grösste Stargarder Brauerei sowie eine Parfümerie und chemische Fabrik.
1920 wurde am Bahnhof eine neue Brennerei errichtet, die heute noch besteht. Da Pr. Stargard 1918 durch den Versailler Vertrag Teil Polens wurde, musste die Geschäftsführung die polnische Staatsangehörigkeit annehmen und konnte bis zur Enteignung in 1925 den Betrieb weiter führen. Inzwischen hatte die 3. Generation Winkelhausen die Geschäftsführung übernommen (Dr. Wilhelm Winkelhausen, Günther Winkelhausen und Paul Gotthard (Hardy) Seiferth).
In Erkenntnis einer drohenden Enteignung hatte die Geschäftführung frühzeitig Vorsorge getroffen und in Stargard in Pommern einen Zweigbetrieb aufgebaut. Im Jahre 1920 wurde ein großer Fabrikneubau in Magdeburg errichtet und die H.A. Winkelhausen AG mit einem Grundkapital von einer Million Mark, davon 60% in Familienbesitz.gegründet Am 8.10.1921 wurde in Magdeburg und in Pr. Stargard das 75-jährige Bestehen der Firma gefeiert.
Der Chemiker Dr. Wilhelm Winkelhausen erfand in Zusammenarbeit mit der Wilthener Firma Hünlich den „Deutschen Rum“, der als Notlösung wegen des Devisenmangels aus Rübenwein hergestellt wurde. Wilhelm war mit der Hünlich-Tochter Anna verheiratet. Nach Überwindung der Schwierigkeiten der Inflation konnte die AG in den Jahren 1924 - 1928 eine Dividende von 6 % zahlen. Dies war vor allem der neuen Weinbrandmarke “Alte Reserve” und der Konzentration auf den Einzelhandel zu verdanken. Allerdings verursachten die Beteiligungen Verluste. Hierzu gehörten sieben Firmen in Magdeburg, Berlin, Saarbrücken, Karlsruhe und Meseritz.
Nach dem Börsenkrach 1929 entschloss man sich zu einem Zusammengehen der Frimen Hünlich und Winkelhausen, nachdem schon jahrelang nicht nur ver- wandtschaftliche, sondern auch geschäftliche Kontakte bestanden hatten. Die neue Fabrik in Magdeburg wurde mit Verlust verkauft und Maschinen und Vorräte in 150 Eisenbahnwaggons nach Wilthen verfrachtet. Die Angestellten wurden zum Teil in die neue Winkelhausen-Hünlich-Weinbrennereien AG in Wilthen übernommen.
Der Zusammenschluss der beiden Firmen in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit brachte das neue Unternehmen in große Bedrängnis. Retter in der Not war der Ferd. Rückforth Nachf. - Konzern, der in dieser Zeit finanziell sehr gesund dastand. Rückforth war bereit, aus dem Zusammenschluss die Winkelhausen-Firma zu übernehmen. Die H.A. Winkelhausen-Werke AG in Stettin wurde 1931 gegründet. Maschinen, Vorräte und Menschen zogen nach nur einem knappen Jahr von Wilthen nach Stettin in Räumlichkeiten der Firma Rückforth. Der Vorstand der neuen AG bestand aus Ferdinand Elbeshausen, Günther Winkelhausen und Günther Heinrich, einem ehemaligen Rückforth-Mitarbeiter. Erst 1935 konnten wieder Gewinne erwirtschaftet werden.
Der Umsatz 1938/39 betrug 4,7 Millionen Reichsmark. Es wurden 560.000 Flaschen Weinbrand verkauft, davon etwa 5% Export. Das Werk Stettin wurde seit April 1943 mehrmals bombardiert und im August 1944 total zerstört.
Nach der Besetzung Polens 1939 wurde P.G. Seiferth zunächst als Treuhänder und 1941 zusammen mit seinem Schwager Günther Winkelhausen wieder Besitzer der nun “Winkelhausen KG Pr. Stargard” genannten Fabrik. Seiferth wurde im April 1945 in Danzig-Langfuhr von der Seite seiner Frau bei einem Spaziergang von den Russen verschleppt.
Günther Winkelhausen gründete 1946 in Güstrow eine Spirituosenfabrik, die er 1947 wegen finanzieller Probleme verkaufen musste. Er arbeitete noch als 70-jähriger im Labor der Fabrik. Die Firma nennt sich nach der Wende “Mecklenburgische Spirituosenfabrik G. Winkelhausen GmbH”.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde in Bremen eine Winkelhausen-Weinbrennerei gegründet, die im Laufe der Jahre in die Hände des Berentzen-Konzerns gelangte. Nach einem Markenprozess bekam die Güstrower Firma das Markenrecht zugesprochen und führt die Markentradition nach fast 160 Jahren fort.
Auszüge aus der Arbeitsordnung für die Arbeitnehmer der FirmaH.A.Winkelhausen zu Preuß.Stargard vom 12. März 1902
Die tägliche Arbeitszeit für die männlichen Arbeitnehmer ist nach Abzug der Pausen für das Sommerhalbjahr -1.April bis 30.September- auf 11 Stunden, für das Winterhalbjahr auf 12 Stunden in der Spritfabrik und der Cognacbrennerei und Destillation und in den Werkstätten durchweg auf 11 Stunden festgesetzt und dauert im Sommerhalbjahr von morgens 6 bis abends 7 Uhr. im Winterhalbjahr von morgens 6 bis abends 8 Uhr, in den Werkstätten durchweg von morgens 6 bis abends 7 Uhr.
Die Apparatführer und Feuerleute der Spritfabrik werden auch in Tag- und Nachtschichten beschäftigt und zwar dauert die Tagschicht von morgens 6 Uhr bis abends 6 Uhr und die Nachtschicht von abends 6 Uhr bis morgens 6 Uhr. Der vorzunehmende Wechsel der Tag- und Nachtschicht wird dadurch vollzogen, dass die in der Woche bis zum Sonnabend in Tagschicht arbeitenden Leute an diesem Tage bis Mitternacht, also 18 Stunden arbeiten und dass zu gleicher Zeit die Leute, welche in der Woche in Nachtschicht beschäftigt waren, eine bis zum Sonntag Abend 6 Uhr währende, also 18stündige Tagschicht beginnen.
Erwachsene Arbeiterinnen arbeiten an den gewöhnlichen Wochentagen mit Ausnahme der Tage vor Sonn- und Festtagen von morgens 7 Uhr bis abends 7 Uhr, an den Tagen vor Sonn- und Festtagen von morgens 7 Uhr bis nachmittags 5 ½ Uhr.
Arbeitspausen finden statt:
in der Tagschicht:
vormittags von 6 Uhr bis 6 ½ Uhr,
mittags von 12 Uhr bis 1 Uhr,
nachmittags von 4 Uhr bis 4 ½ Uhr.
In der Nachtschicht: keine.
Urlaub und Krankheit:
Urlaub ist persönlich und mindestens 1 Tag vorher von dem Fabrikherrn oder Fabrik-Inspektor einzuholen.
Erkrankte Arbeitnehmer müssen sich einen Krankenschein ausstellen lassen und über ihre Erkrankung sofort Mitteilung machen.
Für die durch Krankheit versäumten Arbeitstage wird dem Arbeitnehmer außer der Krankenunterstützung von der Krankenkasse nach Ermessen der Firma bis ein Viertel seines Tageslohnes während längstens 2 Wochen nach Beginn der Krankheit gewährt.
Bei Versäumnissen durch Urlaub wird keinesfalls Lohn bewilligt.