Wer hat den Schnaps erfunden? War es ein Bauer im Westfälischen, der mit Wein experimentiert hatte? Und irgendwann und irgendwie wieder kein Gold, aber eine dafür höchst interessante Flüssigkeit hergestellt hatte? „Kräftiges Stöffchen“, dachte er sich und beschloss, sich das Verfahren zu merken. Oder war es ganz anders? Die epochale Entdeckung  des Branntweins liegt irgendwie im Nebel des Mittelalters.

Aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist das Kornbrennen ein bedeutender Wirtschaftszweig, der seine Leute ernährt. 23.000 Brennereien sind in Preußen registriert. Allein in Westfalen gibt es 1200 reine Kornbrennereien.

Als die Familie Krugmann im Jahre 1867 ihre Destille als Gewerbe anmeldet, ist es das erste Unternehmen am Standort Meinerzhagen überhaupt. Jahre später übernehmen die Krugmänner die 1854 in Rönsahl gegründete Brennerei Haase. Das stattliche Brennereigebäude im spätklassizistischen Stil, das unter Denkmalschutz steht  kündet noch heute vom Wohlstand des Erbauers. Unternehmertum und Kaufmannsgeist vereinigen sich mit bäuerlichem Erbe, um Neues zu schaffen, das dauern kann. Seit sechs Generationen ist die Brennerei in Familienbesitz. Und seit Mitte der 90er Jahre wird sie von einem jungen Management geführt, das mit jungen Köpfen und neuen Ideen den Veränderungen im Markt begegnet.



Seit fünf Jahren leitet Patrick Fayner das Traditionsunternehmen. Schnell hatte auch den Quereinsteiger die Leidenschaft für den emotionalen Umgang mit Naturprodukten gepackt, von der das alte Handwerk lebt.

Doch zurück zum Schnaps: Wer hat´s erfunden? War es der Bauer oder ein Alchimist? Das Verfahren, die Destillation, war jedenfalls schon im 15. Jahrhundert bekannt, als man auf den Gedanken kam, dass man nicht nur aus Wein sondern auch aus Bier hochprozentigen Alkohol entwickeln könnte. Und ein schlauer Kopf fragte sich: Warum der Umweg über Bier, warum nicht direkt aus Getreide? Getreide gab es gerade im Norden reichlicher als Wein. Zudem eignete sich ein Nebenprodukt des Kornbrennens, die Schlempe, hervorragend als Viehfutter.

Die offizielle Geschichte der deutschen Kornbrennereien sieht  es so, wie es auch die Krugmanns in Meinerzhagen erlebt haben: Die Ahnen des Kornbrenners waren landwirtschaftliche, mit dem Bauernhof eng verbundene Betriebe. Für die Bauern war die Kornbrennerei die notwendige Fortsetzung ihres landwirtschaftlichen Betriebes, ein Mittel zur Verwertung des Ernteüberschusses und vor allem ein Mittel zur Erzeugung des Kraftfuttermittels Schlempe. Von Anfang an mit dabei war übrigens die Obrigkeit. Sie kassierte die Branntweinsteuer.



Der Erfolg des Kornbranntweins war programmiert. Gebrannter Wein wurde geradezu als Wundermittel angesehen, das gegen alles und jedes half. Von alters her geht ein Gläschen Korn in froher Runde um. In der Erntezeit schenkte der Bauer den Helfern einen Klaren ein, ebenso beim Dreschen des eingefahrenen Getreides. Im Baugewerbe sprach man von einem „Kluck“ und der Bergmann trank nach der Schicht einen „Halben“. Auch im alltäglichen und häuslichen Leben spielte der Korn eine nicht unwesentliche Rolle. Er galt als Willkom-menstrunk für die Gäste, half bei guten Mahlzeiten gegen Magenbeschwerden und war als Hausmittel bei Zahnschmerzen und als Vorbeugungsmittel in Gebrauch. Das war die gute, alte Zeit. Die Trinkgewohnheiten haben sich geändert, aber das Herstellungsverfahren nicht.

Getreide ist wegen des hohen Stärke-gehaltes  zur Branntweinherstellung sehr gut geeignet.. Wer wie Krugmann hochwertige Spirituosen brennen will, braucht Rohstoffe mit besonderer Qualität. Den strengen Normen wird das Getreide aus der Soester Börde gerecht. Den besten Weizen liefern kleine Betriebe. Und bevor der nach Meinerzhagen kommt, wird er erst einmal im Labor analysiert.

Handwerkliche Tradition bestimmt die weiteren Produktionsschritte. Bei Krugmann baut man auf die Erfahrung der selbst ausgebildeten Destillateurmeister. Ganz ohne Computersteuerung läuft der Brennvorgang ab. Hier ist ein feines Näschen gefragt, wenn der Brenner regelmäßig Proben zieht. Dieses menschliche Organ ist von Natur aus sehr empfindlich. Bei den Brennern ist sie darüber hinaus noch bestens trainiert. Wenn sie mit ihrer Nase schnuppern, dann entsteht in ihrem Kopf „ein Bild von einem Schnaps“. Von der Vision zum geistvollen Getränk – das kann man lernen in der Berufsausbildung, die bei Krugmann stattfindet. Und wer verschnupft ist, hat an diesem Arbeitsplatz an diesem Tag nichts zu suchen.

Der Beruf ist alles andere als nüchtern und trocken – was den emotionalen Umgang mit den Naturprodukten angeht.  „Er lebt von der Leidenschaft.“, schwärmt Patrick Fayner vom Kornbrannt.  Diese Beschreibung der geistvollen Spezialitäten muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Im Dämpfer wird die Getreidestärke zunächst aufgeschlossen werden, dass heißt, das Getreide wird unter Dampfdruck gekocht. Ein komplizierter Arbeitsprozess ist erforderlich, um aus festen Körnern ein „geistiges“ Getränk zu bereiten. Im Maischebottich wandelt das zugesetzte Malz die Stärke in Zucker um und in den Gärtanks wird mit Hilfe von Hefe der Getreidebrei vergoren. Hierbei bildet sich Alkohol, ca. 7%.

In der nachfolgenden Destillation wird der Alkohol von den übrigen Bestandteilen der Maische getrennt. Zurück bleibt die Schlempe. Die zweite Destillation – der Feinbrand – ist zur Reinigung und Konzentration des Alkohols erforderlich. Auf Trinkstärke verdünnt – natürlich nur mit bestem Brunnenwasser, gelangt der Branntwein in den Handel – nachdem er in alten Eichenfässern noch an Qualität und Geschmack gewonnen hat.  Milder, geschmackvoller, bekömmlicher wird der Branntwein bei seinem dreimonatigen Aufenthalt in den Fässern. Vor allem am Tag danach weiß man das zu schätzen. „Krugmann-Kenner kennen keinen Kater“ – wer diesen Zungenbrecher noch sagen kann, hat die richtige Wahl getroffen.



Der Korn liefert auch die Basis für eine Vielzahl von verschiedenen Spirituosen. Klassiker sind  Korn, Wacholder und Kräuterliköer. Beim Wacholder kommen ausgesuchte Getreidesorten und  die edle toskanische Riesenbeere zum Einsatz, die separat destilliert werden. Der aus den Beeren entstandene Wacholderlutter wird mit dem fassgelagerten Kornalkohol vermischt und in großen Brennblasen nochmals sorgfältig gebrannt.


Getrunken wird der Wacholder hauptsächlich pur, entweder zum Bier, um den Magen aufzuwärmen, aber auch als Aperitif oder Digestif und gerne in Geselligkeit. Mit seiner angenehmen Wacholdernote eignet sich Wacholder, den man auch in ähnlicher Form als Gin kennt, ebenfalls als Basis für Longdrinks und interessante Cocktails.

46 verschiedene Zutaten geben dem Sauerländer Tropfen ein feiner Kräuterlikör den charakteristischen Geschmack. Das kommt beim Verbraucher in der Region an: Überlieferte Rezepte verleugnen die Herkunft nicht.

Der alte Korn rollte auf Pferdefuhrwerken zu den Gaststätten. Erst im Fass, von dem er vor Ort abgefüllt wurde, später in Gallonen. Was eine Tagesreise um den Schornstein reichte, würde man heute ein Distributionsnetz nennen. Nach unseren Maßstäben nicht weit, aber sehr solide. Im Zweiten Weltkrieg, als es keine Rohstoffe für die Brennerei gab, wurde Mineralwasser und Kindernahrung hergestellt und verkauft, um zu überleben und die alten Vertriebswege zu pflegen.

Wie wertvoll die waren, wurde spätestens in den 50er Jahren deutlich. Kaum jemand kannte den amerikanischen Limonadenhersteller Coca-Cola. Und in den Gaststätten trank man keine süße Brause. Es gab kein Werbefernsehen und keine bunten Anzeigenblätter. Aber die Amerikaner waren clever. Sie kooperierten mit den regionalen Brennereien und ließen deren Verkäufer die Überzeugungsarbeit leisten. Mit Erfolg, wie man heute weiß. Die Brennerei Krugmann erhielt die Konzession, Coca Cola herzustellen.



Kein schlechtes Geschäft. Zum Schnitt kam es erst in den 80er Jahren, als deutlich wurde, dass hier zwei verschiedene Philosophien aufeinander prallten. Die Limonade war zum Massenartikel geworden mit möglichst großem Marktanteil und Menge. Die Brennerei jedoch produzierte in handwerklicher Manier stets  Naturprodukte, die auch gut schmecken.

In der Region kennt und schätzt man Krugmann. 138 Jahre lang hatte die Kornbrennerei Krugmann Zeit, Markenpflege zu treiben. Wer Krugmann kauft, bekommt Qualität und Geschmack – im Discount sind die Krugmann-Produkte nicht zu finden, denn Geiz ist Geil passt so gar nicht zu der Unternehmensphilosophie.

Doch die Bedingungen änderten sich. In den 70er Jahren gab es eine deutliche Erhöhung der Branntwein-Steuer, die zu Einbrüchen auf dem Markt führte. In den 90er machten sich die veränderten Trinkgewohnheiten deutlich bemerkbar.  Es wird viel weniger Alkohol konsumiert, als in früheren Zeiten. Patrick Fayner: „Der Kuchen ist deutlich kleiner geworden.“

Mit einem jungen Marketing -Team ging Fayner auf die Suche nach Nischen. Die Mini-Spirituosen wurden entdeckt. In ungewohntem Design, mit pfiffigen Etiketten und aktuellen Namen und vor allem leckerem Geschmack eroberten sie den Markt. Junge und spritzige Trend-Spirituosen mit Erlebnischarakter, nennt man das in der Marketing -Sprache.

Die erste war der „Elchtest“ eine Anspielung auf die damaligen Probleme der Mercedes A-Klasse. So hat man im Laufe der Jahre immer wieder aktuelle Themen aufgegriffen und in flüssige Form umgesetzt. Grösster Erfolg ist Popsy, der kleine, freche Sahnelikör, dessen Flasche an ein Spermium erinnern könnte. Unter Lizenz fertigt Krugmann Minis für renommierte Bundesliga-Vereine und hat auch hier seine Nische gefunden.


Die jungen neuen Produkte haben den Kreis gesprengt. Die klassischen Krugmann-Spirituosen wurden ausschließlich in der Region vertrieben – 50 km um den Schornstein. Doch die neuen Minis haben sich als sehr reiselustig bewiesen. Rund um den Globus haben sie eine riesige Fangemeinde gefunden. Von den USA bis Hongkong, von Finnland bis Südafrika. Innerhalb von vier Jahren schaffte Krugmann einen Exportanteil von 25 Prozent. Spaßprodukte Made in Germany ein echter Exportschlager. Zu den Standorten Meinerzhagen und Rönsahl kam 2001 noch eine moderne Produktion in Velbert – ganz ausgerichtet auf die neuen Produkte.

Sie haben´s erfunden – die jungen Köpfe rund um Patrick Fayner. Hochprozentige und hochwertige Spirituosen sind die eine Sache, der Verbraucher will aber auch immer wieder etwas Neues erleben. Mit der Keep Cool Bottle führte Krugmann im Sommer 2004 eine Weltneuheit in den Getränkemarkt ein. Sie ist die erste Flasche mit integriertem Thermomantel und bietet daneben ein auffallendes Design. Mit dieser Flasche wagte Krugmann als erster deutscher Spirituosenhersteller den Einstieg in die Kunststoffflasche- PET-Produktion.

Der Clou der Keep Cool Bottle: sie hat einen doppelten Boden und Mantel. Und das ging eben nur mit Polyethylen – kurz PET. Diese Hülle hält nicht nur schön kühl, sie sorgt auch für eine dreidimensionale Optik. Der dünne Zwischenraum wird thematisch gefüllt: die Strandszene für die Sonnenmilch ist mit echtem Sand gefüllt, und beim Schneegestöber kann mans richtig schneien lassen, wie bei den beliebten Schneekugeln: Das Auge trinkt schließlich mit.



Für die Fußballfans passend zur WM 2006 hier in Deutschland hat sich Krugmann wieder etwas neues einfallen lassen. Manndecker ein leckerer Likör in der Form eines halben Fußballes verspricht wieder ein Erfolg zu werden.

Die Verpackung ist wichtiger geworden. Spirituosen in neuem Gewand sind natürlich auch eine originelle Geschenkidee. Ein umfangreiches Präsentprogramm bietet inzwischen das Tochterunternehmen Toppräsente Krugmann an. Ein riesige Auswahl an Werbemitteln aller Art – vom Kugelschreiber bis hin zum wertigen Edelstahlartikel  bietet den Industriekunden alles aus einer Hand.

Riechen, schmecken, fühlen und sehen, wie die die edlen Tropfen entstehen,  das können Besucher bei Krugmann, so lange wie es Krugmann gibt. Das Besucherzentrum „Alte Brennerei“ hat schon Tausende angelockt. Führungen gehen durch die historische Kornbrennerei, die Abfüllanlagen, das Labor und das Eichenfasslager. Zum Abschluss gibt es natürlich Kostproben. Vereine, Gruppen, Belegschaften verfolgen gern den spannenden Weg vom festen zum flüssigen Korn. Die alten Gemäuer sind höchst lebendig – ob Kunst im weitesten Sinne, Seminare, Präsentationen, sie alle finden offene Türen im Hause Krugmann.

Das junge Krugmann-Team hat das Tor zur Zukunft weit geöffnet. Die Männer und Frauen um Patrick Fayner haben ein Ziel: der Konzentrationswelle in der Branche zum Trotz – sie wollen ihre Unabhängigkeit behalten.