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DATUM : 19.07.1999

 

In der Kuemmerling-Familie tobt ein bizarrer Streit ums Geld. Der Junior strich seinem Vater das Schnaps-Deputat, der Senior fordert seine Firma zurück.
Bei seinem letzten Großeinkauf im Verbrauchermarkt deckte sich Johannes Persch, 80, wieder einmal mit Kräuterlikör ein, Marke Kuemmerling, sechs Kartons für 395,28 Mark. Daß er sich den Magenbitter kaufen muß, stößt dem ehemaligen Chef der Kuemmerling GmbH doch arg sauer auf.
Denn sein Sohn Jürgen, Herr über die Destille in Bodenheim bei Mainz, gibt ihm kein Fläschchen Schnaps mehr. Als Johannes Persch im Herbst 1983 aus der Firma ausschied, vereinbarte er mit seinem Sohn ein Kuemmerling-Deputat im Wert von 3000 Mark jährlich. Das wurde ihm längst gestrichen.
"Die moralische Verkommenheit meines Sohnes ist grenzenlos", notierte der Senior in einem seiner vielen Aktenvermerke. Es hat ihn auch sehr verbittert, daß Jürgen Persch, 53, ihm den Mercedes 500 SEC aus der Garage holen ließ. Eigentlich sollte er den 500er oder eine vergleichbare Limousine als Firmenwagen bis an sein Lebensende fahren dürfen.
Auch diese Vereinbarung ließ sein Sohn vor Gericht annullieren. Seit mehr als 15 Jahren tobt in der Familie eine Schlammschlacht - nicht nur ums Geld.
Bei vielen Mittelständlern gibt es Krach zwischen Jung und Alt, wird um Lebenshaltungskosten und Firmenpolitik gestritten. Aber ein so verbissener Zwist wie in der Familie Persch ist selten.
Seit seinem unfreiwilligen Abgang aus der Firma hat der Senior drei Anwälte beschäftigt, vergangene Woche ging er zum vierten. Von seinem Sohn fordert er jetzt seine Firmenanteile und Schenkungen zurück, "wegen groben Undanks und niedriger Gesinnung".
"Schwachsinn", kommentiert Jürgen Persch. Seinen "lieben Vater", der mit einem Buch über Firma und Familie droht, ermahnte er schriftlich, bei der Wahrheit zu bleiben, "denn ansonsten werde ich Dich unverzüglich auf Schadenersatz verklagen".
Er habe seinen Vater "sehr großzügig abgefunden", sagt der Junior, "aber der will immer wieder nachbessern". Das gehe seit Jahren so, "jetzt will er zehn Millionen Mark von mir, und zwar jährlich".
Johannes Persch, ein gelernter Destillateur, ist kein armer Schlucker. Er besitzt ein Haus in Kanada und ein Appartement in Florida; zusammen mit seiner zweiten Frau Ellen und einem Pudel bewohnt er ein 290-Quadratmeter-Penthouse in Schlangenbad bei Wiesbaden. Gediegener residiert sein Sohn in einem schloßähnlichen Anwesen, das nach Kenntnis des Alten 25 Millionen Mark gekostet hat.
Kein Zweifel, daß die Bodenheimer Fabrik (rund 280 Millionen Mark Umsatz, 260 Beschäftigte) viel Geld abwirft. Johannes Persch schätzt den Jahresgewinn auf 50 Millionen bis 60 Millionen Mark.
83 Prozent der Deutschen kennen die Marke Kuemmerling, die Nummer fünf unter den meistgetrunkenen Spirituosen (siehe Grafik). Jürgen Persch, ein ebenso unauffällig wirkender Mittelständler wie sein Vater, verhandelt derzeit über den Kauf der Weinbrandmarke Asbach und will damit in die Spitzenliga der deutschen Brenner vorstoßen.
Anders als fast alle Konkurrenten leidet das Unternehmen nicht unter den Preiskämpfen der Branche. Der Kuemmerling wird nur in 20-Milliliter-Fläschchen verkauft, der Dreier-Pack kostet im Supermarkt rund vier Mark. Das macht, hochgerechnet auf die übliche 0,7-Liter Flasche, einen Flaschenpreis von über 46 Mark - gut dreimal teurer als der Magenbitter Jägermeister.

Kuemmerling-Fans in Kneipen legen so viele ausgetrunkene Fläschchen nebeneinander, bis sie wegen ihrer konischen Form einen Kreis bilden. 57 Flaschen müssen dazu geleert werden; eine trinkfeste Gruppe schafft auch die fünf olympischen Ringe. Auf jeder Flasche ist eine zweistellige Nummer eingeprägt - wer die höchste Zahl hat, muß eine Runde spendieren. Steht die Nummer 00 auf einer Flasche, so die von der Kuemmerling GmbH festgelegten Regeln, zahlt der Wirt die Runde. Hocherfreut war die Firma, als einmal ein Freund ihres Kräuterlikörs einen Kronleuchter aus leeren Kuemmerling-Fläschchen bastelte. Sechs Zentner wog das Gerät.

Bei der soliden Ertragslage fühlt sich Johannes Persch mit seiner damaligen Abfindung von 16,5 Millionen Mark zu billig abgespeist und fordert einen Nachschlag. Doch bei den Perschs geht es nicht nur ums Geld, sondern auch darum, sich gegenseitig ordentlich zu kujonieren.
So hat Jürgen Persch im Foyer der Firmenzentrale ein Bild von Friedrich Hugo Kuemmerling aufgehängt, dem "Seniorchef", wie ein Messingschild verkündet. Johannes Persch schwört, er habe die Marke Kuemmerling erfunden und die Firma gegründet. Falsch, beteuert der Junior: Der Vater seiner Mutter, die sich 1981
* Mit Ehefrau Ellen.
scheiden ließ, sei der Firmengründer gewesen.
Der Generationenkonflikt begann schon Ende der siebziger Jahre. Ziemlich autoritär regierte Johannes Persch den Betrieb, den er nach Kriegsende in Thüringen geleitet und dann in den Westen verlagert hatte. "Wenn einer meinem Vater widersprochen hätte, wäre er durchs Fenster marschiert", beschreibt Jürgen Persch den Führungsstil.
Einmal wagte Finanzchef Edgar Zahler einen Einwand. Vor Mitarbeitern kanzelte Persch seinen kleinwüchsigen Manager ab: "Der Gnom hat hier nix zu melden."
Entnervt von der rigiden Führung des Alten, wollte der Juniorchef die Firma verlassen und seinen Kapitalanteil von 30 Prozent verkaufen. An den Dialog in gewohnt derbem Ton könne er sich noch genau erinnern, berichtet Jürgen Persch: "Vater, ich will gehen, gib mir zwei Millionen." "Einen Scheißdreck kriegst du."
Am 27. Oktober 1983 kam es zum Krach: Johannes Persch wurde von den beiden anderen Geschäftsführern, seinem Sohn und seinem Schwiegersohn Burkhard Riesen, "aus wichtigem Grund" entlassen: Er habe sich "Sondervorteile" zu Lasten der anderen Gesellschafter verschafft, wie der Griff in die Kasse juristisch umschrieben wird. Das sei nicht wahr, verteidigt sich der Senior; als die "Mainzer Allgemeine Zeitung" über seinen Rauswurf berichtete, hat er sich "geschämt wie ein Bettpisser".
Johannes Persch mußte gehen, seinen 40-Prozent-Anteil übernahmen jeweils zur Hälfte sein Sohn und die beiden Töchter Carin und Evelyn.
Eine hohe Abfindung habe die Firma damals nicht verkraften können, versichert der Junior. Die Kuemmerling-Gruppe - inklusive einer eigenen Flaschenherstellung und der weniger lukrativen Produktion von Weinbrand, Fruchtsäften und Pfefferminz - machte einen Umsatz von rund 80 Millionen, aber die Expansion war teuer. Jürgen Persch: "Wir standen kurz vor dem Exitus."
Fünf Millionen Mark habe der Versuch gekostet, eine Kaugummi-Produktion aufzubauen, 20 Millionen versandeten in Kanada, wo der Seniorchef eine Filiale für den nordamerikanischen Markt errichten wollte. "Die Firma wäre beinahe den Bach runtergegangen", erinnert sich Finanzchef Zahler.

Glänzend seien die Bilanzen des Unternehmens gewesen, behauptet Johannes Persch, sein Sohn habe Geld verschwendet: "Der hat nur einen Arsch, aber 42 Luxuskarossen." Er registrierte unter anderem 15 Ferrari, fünf Porsche, drei Rolls-Royce und einen De Tomaso.

Nach langem Feilschen der Anwälte und Streitereien vor Gericht erhielt der Ex-Chef für seine Anteile über 16,5 Millionen Mark und einen lebenslänglichen Beratervertrag, der mit jährlich 200 000 Mark dotiert war. Er sollte bis an sein Lebensende einen schweren Firmenwagen fahren dürfen, ein Magenbitter-Deputat erhalten und 2700 Mark Monatslohn für eine Putzfrau erstattet bekommen.
Mit dem Beratervertrag war der Senior weiterhin für die Firma tätig, und das sorgte ständig für Zoff.
Denn für das Honorar von rund 17 000 Mark monatlich verlangten die Kuemmerling-Geschäftsführer eine stramme Leistung und gaben ihrem Berater schwierige Aufträge, die er kaum erfüllen konnte. Beispielsweise sollte er für das Kuemmerling-Nebenprodukt Fruchtsäfte Fragen untersuchen wie etwa: "Entspricht die Farbe der Flasche bezogen auf das Produkt den Erkenntnissen der Farbpsychologie?"
Oder für die inzwischen aufgegebene Pfefferminzproduktion: "Wo liegen die grundlegenden Problemfelder bei der Entwicklung einer Export-Marketing-Konzeption (einheitliche bzw. länderspezifische Vorgehensweise)?"
Derartige Fragen konnte Destillateur Persch nicht beantworten. Nach fünf Jahren - die Kuemmerling-Chefs hatten einige Leistungen als "mangelhaft" bewertet und nicht honoriert - kündigte er den Beratervertrag. Daraufhin wurde ihm wegen Vertragsbruchs der Firmenwagen entzogen, die Bezahlung der Haushaltshilfe eingestellt und das Deputat gestrichen.
Wieder einmal mußten sich die Gerichte mit den Perschs beschäftigen. Der Beratungsvertrag sei in Wahrheit "ein verdecktes Leibrentenversprechen", argumentierte der Kuemmerling-Senior. Der Streit um 200 000 Mark Jahreshonorar, um Mercedes und Putzhilfe ging bis zum Bundesgerichtshof, Johannes Persch hat weitgehend verloren.
1996 stellte Jürgen Persch seinem Vater einen Scheck über gut 1,5 Millionen Mark aus: den finanzmathematisch kapitalisierten Wert der Beratungshonorare. Der Krach geht mit unverminderter Schärfe weiter.

Der Senior habe ihn beim Finanzamt angeschwärzt, stöhnt der Kuemmerling-Junior, und im Streit ums Geld die Industrie- und Handelskammer eingeschaltet: "Der stört ständig das Unternehmen, das ist kein Vergnügen."